© Text & Bilder: Alexander Dietz, 11.06.2023
Sollte schützen - tut es auch nicht
Das Bundesgericht bestimmt den Fotografen-Lohn
Einmal mehr, bin ich versucht zu sagen. Denn es waren schon einmal Richter – keine fremden – die darüber urteilten, was Kunst (?) ist und was nicht. Welche Bilder die erforderliche schöpferische Höhe und den individuellen Charakter erfüllen, um einen wirtschaftlichen Wert zu erlangen und welche nicht. Welche fremden Bilder schamlos, ohne Bezahlung genutzt werden dürfen und welche nicht. Dieser Mumpitz ist Geschichte - glaubte man als Fotograf und Bildanbieter. Und dann kommt der 21. April 2023.
Zu was taugt ein – erst vor drei Jahren – überarbeitetes und in Kraft getretenes Urheberrechtsgesetz, wenn es wieder "dieselben" eigenen Richter mit stolzen Salären sind, die (als Laien) jetzt nicht mehr über schöpferische Höhen urteilen, sondern darüber, was ähnliche Bilder sind und was ein ungefragt verwendetes Foto kosten, bzw. was man als Fotograf mit seiner Arbeit noch verdienen darf.
Um was geht es?
Führe die beiden verlinkten Publikationen zu Gemüte und Du bist informiert. Der Bundesgerichtsentscheid vom 21.04.2023 und vereinfacht und zusammengefasst der Tagi-Artikel vom 05.06.2023.
Artikel / Reaktionen am 05.06.2023 auf digitec.ch
Artikel am 15.06.2023 in der Wochenzeitung WOZ
Du hast richtig gelesen. Ganze 55 Franken gesteht unser höchstes Gericht – das durch die Bundesversammlung mit bürgerlicher Mehrheit (der liberal und Eigenverantwortung so wichtig ist) gewählt wurde – uns Bildanbietern bei einem Fotoklau noch zu. Die eingeklagten 3920 Franken – für die gewerbliche Verwendung auf allen möglichen Plattformen und die Dauer – mögen auf den ersten Blick hoch erscheinen. Aber um diesen Betrag geht es letztendlich nicht mehr.
Es geht um den Preisdeckel von 55 Franken, den die Richter für das betreffende Foto – und im Grunde künftig auch für alle anderen Fotos – eingeführt haben. 55 Franken, da ähnliche (?) Bilder angeblich schon für 10 bis 100 Franken zu haben seien. Ja warum nahmen die Beklagten nicht gleich diese günstigen Fotos, wenn sie deren Existenz schon kennen? Genau - weil ähnlich nicht reichte und das Foto von Port bei Biel des Fotografen A. B. exakt ihren geschäftlichen Ansprüchen und dem gewünschten Werbeeffekt entsprach. Sie verwendeten es ohne angemessene Vergütung und fanden im Bundesgericht auch den nötigen Verbündeten, der sich durch die Verteidigeranwälte solche Preise aufschwatzen liess. Dass der Kläger höhere Honorare nach SAB-Preisempfehlungen auf die schnelle nicht belegen konnte, war am Schluss deren Glück. Doch im Internet findet man rasch Pauschalpreise für Drohneneinsätze (ohne Fahrspesen und Bildbearbeitung) ab 500 Franken.
Müssen wir also den Beklagten sogar noch dankbar sein, dass sie nicht ähnliche Fotos von Microstock-Bild-Agenturen, deren Geschäftsmodell nur funktioniert, weil sie ausschliesslich ihre Interessen und die ihrer Kunden vertreten und die Bilder für ein paar Rappen verscherbeln, ins Spiel brachten.
Bestimmt der Kunde künftig den Preis?
Wo führt so ein Urteil des Bundesgerichtes hin? Der Kunde bestimmt den Preis? Klauen wird (fast) straflos und so günstig, wenn ich einen Billigst- oder Gratisanbieter für welches Produkt auch immer dem Gericht vorlegen kann? Soll das zukünftig der neue Berechnungsmassstab für Verkaufspreise in unserem liberalen Wirtschaftssystem sein? Na dann sofort los, gleiches Recht für alle, konsequent und mit allen Folgen. Ist eh schon so vieles im Argen.
FÜR WAS STEHE ICH AM MORGEN NOCH AUF?
Es geht bei Fotos nicht um Kunst oder Krempel - wertvoll oder nicht. Es geht darum – ob über ein Produkt namens Fotografie – nebst Fahrten, Kameras, Computer, Strom, Reparaturen, Versicherungen und Recherche auch der Zeitaufwand (Lohn) und die Altersvorsorge finanziert werden kann. Es ist ein Irrglaube wenn die Meinung vorherrscht, alle Fotografen seien im Stundenlohn unterwegs und die Fotos in den Datenbanken schon durch jemand anderen bezahlt. Und wenn dem so wäre? Diese Wertbemessung durch das Bundesgericht ist eine Respektlosigkeit unserer Arbeit gegenüber und eine existenzschädigende Entwertung eines jeden Bildarchives. Wieso die Art Bildverkauf keine Existenzberechtigung mehr haben darf, soll mir doch bitte einer fachlich begründen.
Fotos im Internet - Vogelfrei?
Das Internet ist voll von Fotos und anderen Werken und trotzdem kann man mit ihnen nicht machen was man will. Es sagt einiges über Anstand und Erziehung einiger Hurra-Schreier in der Tagesanzeiger-Kommentarspalte aus, für die ein Bilderklau ein Kavaliersdelikt und eine Art von Selbstverteitigung gegenüber den ach so gierigen Fotografen und Abmahnern darstellt. Schwarze Schafe gibt es überall und für einige Konzerne und Fotografen scheinen Abmahnungen in der Tat zum Geschäftsmodell zu gehören. Aber in diesem Fall trifft das nicht zu.
Nein, ich muss Fotos nicht mit Wasserzeichen verschandeln um es für eine missbräuchliche Weiterverwendung unattraktiv zu machen. Wer ein fremdes Fahrrad entwendet, ist ein Dieb, auch wenn es nicht abgeschlossen herumsteht. Ich brauche meine Haustüre nicht abzuschliessen und trotzdem geht man als Fremder nicht hinein. Weil das Gemüse auf dem Felde und im Hofladen von selber wächst, ist es trotzdem nicht gratis.
Es ist ein merkwürdiges mein/dein Verständnis gewisser Kommentarschreiber. Einige sähen sich selber als Opfer, das zum Klauen genötigt würde, weil sie aus ihrer unfachlichen Sicht die Bildlizenzen als überrissen ansehen, während sie doch soo selbstlos bereit sind, um aus ihrer Anonymität zu treten, Webseiten von SRF-Meteo/Radio und Zeitungen – also gut finanzierte Medienkonzerne – für ein bisschen Ruhm und Ehre kostenlos mit ihren Fötelis zu versorgen. Ein beispielloses Verhalten.
Wer als Schwarzfahrer mit dem ÖV unterwegs ist, bezahlt Zuschläge, die von Mal zu Mal steigen. Warum eigentlich? Der ÖV fährt ja auch ohne mich, worin liegt der Schaden? Für ein fehlendes 5 Franken Billett 100 Franken Zuschlag - beim ersten Mal? Die dürfen das! Aber ein Unternehmen das ungefragt ein Foto für Werbung, Geschäftsdokumentationen und im Web verwendet und zudem die Bildquelle falsch und nicht benennt, darf dies künftig zum Pauschalpreis von 55 Franken machen? Ist das Fair? OK, Recht haben und Recht bekommen....
Die Preisempfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Bild-Agenturen und -Archive SAB haben ihre Berechtigung. Je grösser Reichweite, Werbeeffekt und Budget, je höher die Lizenzkosten. Wer mit meinem sofort verfügbaren Bild Geld verdienen will, gibt auch mir etwas mehr ab. Ist doch sozial und fair wenn ich schon das ganze unternehmerische Risiko trage und vorab alles aus dem eigenen Sack finanziert habe – oder?
Muss ich in Zukunft Fotos für 55 Franken zuzüglich Halbtages-/Tagesansatz + Spesen verkaufen, um noch etwas zu verdienen?
Über Preise kann man reden, jeder Bildanbieter kann Rabatte gewähren. Wem es immer noch zu teuer ist, für den gibt es genügend preiswerte und legale Alternativen. Oder er muss die Fotos selber machen gehen, mit all den Kosten. Mit Verlaub – aber ....
die 55 Franken sind eine Frechheit
Wäre es um ein – im selben Umfang – illegal verwendetes Musikstück gegangen, Film- und Musikproduzenten, Rechtevertreter und Verwertungsgesellschaften hätten das x-fache erhalten. So geht gute Lobby-Arbeit. Aber die Musikindustrie (Dirty little secrets auf ARD-Alpha) ist moralisch alles andere als ein gutes Vorbild - wer hat, dem wird gegeben. Auch dort schauen die allermeisten Künstler – auch weltbekannte – in die Röhre, weil ihnen von den Rekord-Umsätzen und Gewinnen nur ein paar Krümel zugestanden werden.
Solange...
Und zum Schluss noch ein paar Müsterli über Wertschätzung und Respekt unserer Kreativität gegenüber - wohlverstanden, ohne festen Stundenlohn und geregelte Arbeitszeit.
· Solange der Bund – der für 22,8 Milliarden Franken die NEAT bauen liess – von mir erwartet, dass ich dem EDI ein Foto für die NEAT Baudokumentation im Landesmuseum für 10 Jahre kostenlos zur Verfügung stelle,
· solange unsere Bild-Honorare für Verkaufsprodukte laufend gekürzt und das eingesparte Geld als Dank in Form von Boni an die kürzenden Chefs und Aktionäre fliesst,
· solange der orange Riese sein alternatives Werbebudget aka Kulturprozent jährlich mit 140 Mio. Franken füllt, aber für ein Panoramabild in Grossauflösung für ein neues Center keinen Rappen zu bezahlen bereit ist und auf "Ruhm und Ehre" und den "Werbeeffekt" für den Fotografen verweist,
· solange Schweizer Unternehmen und Grosskonzerne, Werbeagenturen und Grossverteiler lieber Getty und Corbis - also den Chinesen - als den eigenen Kunden Nutzungslizenzen für Fotos abkaufen,
· solange Bergbahnen ausländische Touristen günstiger auf die Gipfel karren als mich – trotz Werbung für die Tourismusorte – mit dem Halbtax,
· solange die Karavanen ausländischer Influenzer durch die Tourismusindustrie bespasst und beherbergt wird, für Fotos heimischer Fotografen trotz zig Millionen Fördergelder aus der Bundeskasse aber kein Geld vorhanden ist,
· solange die Genossenschaft vom Rheinknie mit jährlich über 500 Millionen Franken Jahresgewinn neue Aufträge – bei einem unserer Kunden* – von der Rückzahlung sechsstelliger Beträge abhängig macht und die Rückforderungen bei uns als Fotolieferanten eingespart werden sollen, (*inzwischen ehemaligen)
solange passe ich mein Konsumverhalten laufend an. Man kann sich gegen Aussen schon volksverbunden, grosszügig, umweltfreundlich und gönnerhaft (Vereinsbons) geben mit Geld, das man bei kleinen und grossen Produzenten mit allen Mitteln einspart und gleichzeitig mit (unverschämten) Margen den Konsumenten aus dem Sack zieht. So kann man sich natürlich auf Dauer auch der eigenen Kundschaft entledigen.
Nochmals zum Bundesgericht - Danke für die Lohnfestlegung und die weitere Beschleunigung auf der Abwärtsspirale.
Dietz + Dietz
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