Vor 20 Jahren - Das Dienstende der Mirage IIIS 1999
© Text & Bilder: Alexander Dietz
Air2030 - Evaluation NKF der Schweizer Luftwaffe:
Fotos zu diesem Thema und noch viel mehr finden Sie auf unserer Bilddatenbank.
1966 - 1999
Am Anfang war das Feuer
Mit der Zuspitzung des Kalten-Krieges Ende der 1950er Jahre wurden von der Landesregierung umfangreiche Aufrüstungsprojekte (Armee 61) beschlossen, um mit den technologischen Entwicklungen europäischer Grossmächte Schritt zu halten. Das Leitbild der «Armee 61» sah die atomare Option (Dokument Atomwaffen für unsere Armee vom 11.07.1958) sowie Schaffung eines Luftschirmes unter Einbezug eines neu zu beschaffenden Hochleistungsflugzeuges vor. Zur Auswahl standen die Typen: Saab 35 Draken, Fiat G.91, Grumman F-11 Tiger, Lockheed F-104 Starfighter und die Dassault Mirage IIIC. Von der Arbeitsgruppe kam die Empfehlung für die Mach 2 schnelle Mirage IIIC. 1961 beantragte der Bundesrat beim Parlament einen Kredit von 871 Mio. Franken für 100 Maschinen. Das Flugzeug soll in Lizenz in der Schweiz gefertigt und technisch den schweizerischen Erfordernissen angepasst werden.
Mirage IIIS J-2302 auf der Holloman AFB in New Mexico 1966
Flugplatzbrigade 32 «PA CAPONA»
Film des Armee Filmdienstes über die Schiessversuche mit der
Mirage IIIS J-2302 auf der Holloman AFB in New Mexico 1966
Der Mirage-Skandal
Während des Lizenzbaus zeigte sich, dass die Helvetisierung der Mirage zu einer massiven Bud-getüberschreitung führen wird. 1964 beantragte der BR einen Zusatzkredit von 576 Mio. Franken, der jedoch vom Parlament abgelehnt wurde. Die zu beschaffende Stückzahl von 100 Maschinen wurde auf 57 (36 IIIS, 18 IIIRS, 2 IIIBS, 1 IIIC) gekürzt. Die Helvetisierung bestand u.a. aus einem Lizenz-Triebwerk ATAR 9C von Sulzer, einem TARAN-18 "fire control system" von Hughes, Strukturverstärkungen für Jato-Starts und Kranaufhängepunkte, einer Bugfahrwerkverlängerung (Surgonflage), einer Neukonstruktion des Hauptfahrwerkes und einem umklappbaren Radom für den Kavernenbetrieb. Als Folge des Skandals wurde erstmals in der Schweiz eine Parla-mentarische Untersuchungskommission (PUK), besetzt mit den nachmaligen Bundesräten Kurt Furgler, Rudolf Gnägi und Pierre Graber, eingesetzt. Deren Bericht führte zu Entlassungen in der Armeespitze sowie zur Demission von Bundesrat Paul Chaudet. Das EMD wurde reorganisiert und ein zweiter Antrag für einen 150 Mio. Franken Kredit vom Parlament gebilligt. Ab 1966 standen die Mirage bei den Fliegerstaffeln 16 und 17 in Payerne im Einsatz. Das Atomprogramm wurde nicht verwirklicht. Die dafür beschafften 20 kg Plutonium, seit den 1960er Jahren im Eigentum des Bundes und im Paul Scherrer Institut PSI eingelagert, wurden erst im Januar und Februar 2016 unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in die USA transportiert (Medienmitteilung vom 26.02.2016).
Die Bewaffnung bestand bis zur KAWEST aus zwei 30mm DEFA Kanonen mit je 120 Schuss, einer Luft-Boden Rakete AS.30 NORAS, zwei AIM-9B Sidewinder und zwei Bofors/Saab HM-55S (AIM-26B Falcon) Lenkwaffen, deren US Variante AIM-26A mit einem Nuklearsprengkopf bestückt werden konnte. Für den Kurzstart ab beschädigten Pisten oder zur Not von Autobahnen konnten acht JATO`s mit je 450 kp Schub, die das Flugzeug nach gut 300 m in die Luft brachten, verwendet werden.
Hersteller: Avions Marcel Dassault
Lizenzbau: F+W Emmen,
Pilatus Flugzeugwerke Stans,
FFA Altenrhein
Anzahl: 36 Mirage IIIS J-2301 - J-2336
1 Mirage IIIC J-2201
Länge: 15,27 m
Spannweite: 8,22 m
Höhe: 4,32 m / 4,10 m mit Surgonflage
Leermasse: 7285 kg
Abflugmasse max.: 12`600 kg
Maximale Geschwindigkeit: Mach 2,06 / 2400 km/h
Lastvielfaches: +7,50 g / -3,75 g
Triebwerk: SNECMA / Sulzer Atar 9C 4300 kp ohne, 6000 kp mit Nachbrenner
Maximalen Flughöhe mit SEPR und Druckanzug 75`000 ft / 23`000 m
Standardbetankung: 3730 Liter
Die Bewaffnung
J-2317 auf dem Militärflugplatz Alpnach
Mirage mit SEPR 844 Raketentriebwerk, im Einsatz bis 1991
Im Flug sorgte das SEPR 844 Raketentriebwerk für 1700 kp Zusatzschub und brachte die Maschine auf die maximale Flughöhe von 75`000 ft. Die NORAS AS.30 Lenkwaffen und das mit gesundheitsschädlicher Salpetersäure und TXII betriebene SEPR Triebwerk wurden anlässlich der Kampfwertsteigerung ausgemustert.
J-2304 in grau mit JATO`s vor KAWEST - Payerne April 1987
Landung der J-2306 in Sion - Januar 1990
WK 1989 - Verlegung von Buochs nach Payerne - «Rot vs. Blau»
und der Fall der Mauer vor 30 Jahren am 9. November
J-2333 "Aggressor 81" ein Monat vor dem Mauerfall - Payerne Oktober 1989
WK 1989 - eine Verlegung von Buochs nach Payerne und Flugbetrieb ab Platte standen an. Da das Übungsszenario traditionell wieder aus «Rot gegen Blau» bestehen würde, warum in der Mittagspause nicht einmal eine solche «Rote Kiste» als Aggressor hinstellen? Unser Tech. Wm. roch den Braten und wollte uns letztlich nicht mehr die original Farben zum Bemalen der Klebefolien besorgen. So mussten die kleinen Farbdosen aus dem Modellbausortiment herhalten. Politisch korrekt und neutral war die Maschine nun nicht gerade und bei einigen Kameraden löste sie Kopfschütteln ob der dafür geopferten Mittagspause aus. Den nächsten Einsatz absolvierte die Maschine natürlich wieder wie es sich gehört. Wobei, den Stern drauflassen hätte schon . . . Wer konnte damals bei dem Spass ahnen, dass nur ein Monat später die Berliner Mauer und somit der Eiserne Vorhang fallen wird. Das Ende des Kalten Krieges.
Die 1990er Jahre und das Ende
NORKA 91 - Patch «Nordseekampagne 1991»
JATO-Start der J-2325 in Payerne nach KAWEST - April 1996
Ab Mitte der 1980er Jahre wurde für 143 Mio. Franken ein umfangreiches Kampfwertstei-gerungsprogramm KAWEST an allen verbliebenen Maschinen durchgeführt. Nebst der augenfälligsten Änderung im Erscheinungsbild, dem Wechsel von Naturmetall Silber zu einem grauen zweiton Farbanstrich (FS36320 / FS36375), wurden zusätzlich Chaff-/Flare- Dispenser AN/ALE-40, Radarwarner, ein modifizierter Martin Baker Mk.IV SRM.6 Schleudersitz, Abfangscheinwerfer, Canards und Nose-Strakes integriert. Die AMD-FLUNT`s wurden durch abwerfbare IMI-FLUNT`s oder einen 730 Liter IMI-RUNT ersetzt.
J-2332 auf der Platte in Payerne - April 1991
J-2331 mit scharfer AIM-9P-5 Sidewinder - WK Buochs November 1996
J-2331 - KAWEST Cockpit mit Radarwarner
Einbau Martin Baker Mk.IV SRM.6 Schleudersitz
Die letzte revidierte Mirage. Die J-2331 mit Nachbrenner . . .
. . . im Bremshaus Buochs - November 1998
. . . im Bremshaus Buochs - November 1998
Achtung Xaver - Einsatz zwei Flugzeuge
J-2325 im Indian-Summer vor dem Xaver
Flugbetrieb ab Kaverne X. Draussen ist schönstes Wetter und in der Kaverne herrscht dicke Luft durch MOWAG Abgase, Treibstoffdämpfe, Lärm . . . Es war ein solch schöner Tag und wir nutzen, während die Flieger knapp 35 Minuten in der Luft waren, das Wäldchen für eine kurze Pause und um frische Luft zu tanken. Plötzlich stand der Kdt. der Fl.Abt.10 mit den Worten «Männer, stellt euch vor, es regnet - und jetzt geht Ihr rein», da. Wie hat man solche Augenblicke geliebt.
Triebwerkstart . . .
. . . nach längerer Standzeit auch mal mit etwas mehr Feuer
Ready for departure - J-2303 und J-2304 auf der Piste 06
J-2321 im Steigflug mit Nachbrenner
J-2303 mit Bremsschirm
Vier Maschinen nach dem Einsatz und . . .
. . . beim Einrücken in die Kaverne X
Unter dem Strich war es eine gute Dienstzeit auf dem Flugplatz Buochs. Ausser ein paar Vorkommnissen (Vogelschlag, Netzlandung, Treibstoffverschüttungen, abgesprengter Falco-Werfer, schmorende JATO-Zünder am Flz, Platzwunden) wurden wir von schlimmen Ereignissen oder gar Abstürzen verschont. Und während meinen RS/WK`s gab es davon im Hunter und Tiger Flugbetrieb der Luftwaffe einige. Auch die Alitalia am Stadlerberg verunglückte während eines WK`s und mahnte einen, die Arbeit seriös zu erledigen. Am Abend war man jeweils froh, wenn alle Maschinen ganz im Stollen standen.
Offizielle Verabschiedung in Buochs am 22. Oktober 1999
12 Mirage IIIS/IIIDS im Überflug
J-2326 - Vermächtnis der Fliegerkompanie 21 und . . .
. . . die J-2311 in der offiziellen Farewell-Bemalung in Gold
. . . die J-2311 in der offiziellen Farewell-Bemalung in Gold
EPILOG
Aufgereiht auf dem Flugplatz Buochs im Dezember 1999
J-2325 und J-2304 im März 2000
J-2325 und J-2304 im März 2000
In der Dienstzeit der Mirage IIIS gingen sieben Maschinen durch Abstürze verloren. Ein Pilot und eine Person am Boden wurden dabei getötet. Am 26. November 2004 wurde ein Teil der verbliebenen Mirage IIIS/IIIRS/IIIDS auf dem Flugplatz Buochs öffentlich versteigert oder an Museen in Europa abgegeben. Die einzige Flugtaugliche Mirage III, die IIIDS J-2012 (HB-RDF) des Musée de l`aviation militaire de Payerne «Clin d`Ailes», kann heute noch an Flugtagen bestaunt oder für Passagierflüge gebucht werden.
Mirage IIIDS J-2012 beim Start in Payerne am 21.05.2019
Links:
Mirage III for ever (FB)
Fotos aus unserem Archiv wurden in den folgenden Publikationen verwendet:
«Mirage - das fliegende Dreieck» O. Borgeaud, P. Gunti, 416 Seiten d/f, ISBN 978-3-85545-157-9
«L`histoire des Mirage suisses» von Laurent Baudillon, 210 Seiten, französisch, 2010.